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Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Wie die Initiative Neue Qualität der Arbeit neue Erkenntnisse gewinnen konnte, ohne explizit danach zu fragen

Welche Herausforderungen stellen sich für die Arbeit von Morgen? Wie wollen in Zukunft Unternehmensleitung und ihre Beschäftigten innovativ zusammenarbeiten und was muss heute dafür getan werden?

Diesen Fragen steht die vom Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ins Leben gerufene Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) kontinuierlich gegenüber. Die INQA versucht seit 2002 vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen zu unterstützen und zu beraten. Um diese Angebote für den betrieblichen Alltag zu verbessern, organisierte die INQA im vergangenen Sommer zusammen mit CrowdInsights einen Beteiligungsprozess mit Geschäftsführer:innen und Beschäftigten. Das Projekt hatte das Ziel,  das Wissen der Geschäftsführer:innen und Beschäftigten zu heben, neue Erkenntnisse zu gewinnen und so eine überzeugende Antwort auf die Frage nach attraktiven Arbeitsbedingungen zu entwickeln. 

Idee & Umsetzung

Das Kernziel des Beteiligungsprozess war es, Handlungsfelder zu identifizieren, in denen die INQA ihr Angebot ausbauen oder verbessern kann. Hierfür umfasste der Prozess insgesamt vier zentrale Fragen: 

  • Wie attraktiv ist Ihr Unternehmen als Arbeitgeber? 
  • Was muss Ihr Unternehmen tun, damit die Führungskräfte und Beschäftigten innovativ bleiben? 
  • Wie sieht die Zukunft Ihres Unternehmens im Jahr 2025 aus? 
  • Welche Angebote wären für Sie als KMU hilfreich?

Als Grundlage für die Beantwortung dieser Fragen organisierten INQA und CrowdInsights insgesamt drei aufeinanderfolgende Online-Workshops in Nord-, West- und Süddeutschland, die alle demselben Schema folgten. 

Den Auftakt jeder Sitzung machte ein Impulsvortrag des HR-Experten Rudolf Kast (Die Personalmanufaktur, Freiburg). Im Anschluss daran bildeten die Moderator:innen Kleingruppen, in denen jeweils eine der drei folgenden Frageblöcke als Gesprächsgrundlage dienten: 

  • Wie attraktiv ist Ihr Unternehmen als Arbeitgeber auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend)? Und warum? 
  • Was machen Ihre Konkurrenten besser? Wo gibt es Best Practices mit Blick auf Arbeitsbedingungen? 
  • Welche Überschrift wollen Sie im Jahr 2025 in der regionalen Tageszeitung über ihr Unternehmen lesen? Was müssen Sie tun, um diese Nachricht zu erreichen? Welche zentralen Herausforderungen sind zu überwinden und welche Unterstützung brauchen Sie, um die Arbeitsqualität im Betrieb zu steigern? 

Die Fragen unterscheiden sich dabei bewusst von den anfangs aufgeworfenen zentralen Fragestellungen. Sie sollen als gedankliche Hilfestellungen dienen, eine Art „Gedankenspur“ legen und vielmehr implizit als explizit nach den eigentlich aufgeworfenen Dingen fragen. Die erste Fragestellung soll die Teilnehmenden beispielsweise zunächst zu einer Bewertung der Attraktivität des eigenen Unternehmens bewegen, bevor im nächsten Schritt diese Bewertung begründet werden soll. Dabei ist die Bewertung des Unternehmens nur ein Zwischenschritt, um an die eigentlichen Erkenntnisse zu kommen, die vor allem in der Bewertungsbegründung liegen. 

Ähnlich verhält es sich bei der zweiten Fragestellung, die wiederum versucht die Frage nach der Innovationsfähigkeit von Führungskräfte und Beschäftigten fassbar zu machen, indem konkrete Dinge (Was? Wo? Wie?) abgefragt werden. 

Die dritte Fragestellung versucht abschließend, erneut über Zwischenschritte an wertvolle Erkenntnisse zu kommen. Diesmal allerdings rückwärts als sogenannter Backcast. Dies bedeutet, dass sich Teilnehmende zunächst Gedanken darüber, wie sie sich die Situation (in diesem Fall die Situation des eigenen Unternehmens) in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren wünschen und erst im nächsten Schritt überlegen, welche Schritte dafür notwendig wären.

Für jede der Fragen hatten die Teilnehmenden innerhalb ihrer Kleingruppen insgesamt 30 Minuten Zeit. Gruppenerkenntnisse wurden in Form eines Kernaussagen-Mappings gesammelt und anschließend im digitalen Plenum vorgestellt. Zum Ende wurde im Plenum noch als Querschnittsthema eine vierte Frage diskutiert: 

Was glauben Sie, welche Angebote für KMU hilfreich wären? Was wünschen Sie sich?

Kernaussagen-Mappings ermöglichen dabei eine Orientierung in welche Richtung sich das Gespräch gerade bewegt, ohne auf eine stark ins Gespräch eingreifende Moderation zurückgreifen zu müssen. Protokollant:innen halten bei diesem Ansatz live die wichtigsten Punkte in Form von stilisierten (also nachempfundenen und auf den Punkt gebrachten) Zitaten fest, ordnen diese in Gruppen und versehen sie mit Zwischenüberschriften und/oder Piktogrammen. Ähnlich einem Pinnwand Clustering in Präsenzworkshops.

Auf diese Weise wurden zunächst alle Workshops einzeln dokumentiert, sodass alle Teilnehmenden ihre persönlichen Beiträge verfolgen konnten. Auf diese Weise gelang es, die einzelnen Teilnehmenden zunächst persönlich zu adressieren und damit ein Stück weit in ihren Erwartungen an den Workshop zu befriedigen. Mit diesem Schritt ist es den Organisatoren möglich, eine gewisse Zufriedenheit unter den Teilnehmenden sicherzustellen, da sie so davon überzeugt werden können, dass ihre eigenen Beiträge aufgenommen und zumindest in irgendeiner Weise weiterverarbeitet werden. 

Im INQA-Fall kann dieser Schritt insbesondere deshalb wichtig sein, da es durchaus Teilnehmende gibt, die nicht in erster Linie am Ausgang des Beteiligungsprozesses, sondern am öffentlichen Kundtuen der eigenen Meinung und der eigenen Erfahrungen interessiert sind.

Ergebnispräsentation

Die stilisierten Zitate aller Workshops wurden in einem nächsten Schritt auf die Plattform von CrowdInsights eingespielt. Die CrowdInsights-Plattform ist als Infrastruktur für Partizipations- und Co-Kreationsprojekte entwickelt. Im Kern können Beteiligte in Freitextantworten schriftlich auf offen gestellte Fragen antworten. Im Anschluss können diese Freitextantworten mithilfe qualitativer Textanalysetechniken digital auf der Plattform  konsolidiert, geclustert und in Erkenntnissen zusammengeführt werden. Bei einer guten Workshopdokumentation wie im Falle der INQA kann die Plattform aber auch dazu genutzt werden, Erkenntnisse aus direkten Gesprächen (sowohl online als auch analog) zu gewinnen. Durch eine solche Übertragung von Workshopinhalten auf eine digitale Plattform wird es ermöglicht, dass Teilnehmenden und der Auftraggeber (hier INQA und BMAS) die gebündelten Ergebnisse der Workshops an einem zentralen Ort jederzeit einsehen können.

Im Falle der INQA-Workshops wurden anstelle von Beiträgen individueller Teilnehmenden die via Kernaussagen-Mapping erzeugten Mitschriften von Workshop-Kleingruppen geclustert und zu Erkenntnissen zusammengeführt. Für jede der insgesamt drei Fragestellungen stand auf der Plattform eine eigener Bereich zur Verfügung. 

Innerhalb der Projektbereiche,  kann man hinter den Erkenntnissen die einzelnen Kernaussagen oder Zitate betrachten. Die Aussagen lassen sich dabei sogar den einzelnen Workshops zuordnen.

Fazit

Der Beteiligungsprozess der Initiative Neue Qualität der Arbeit  zeigt eindrücklich, wie innovatives digitales Workshopdesign auch in Pandemiezeiten zu nachhaltigen Ergebnissen führen kann. Durch geschicktes „An die Hand nehmen“ der Teilnehmenden und implizite Fragestellungen wurden im Prozess wertvolle Erkenntnisse gewonnen. Das im analogen Bereich üblichen Pinn- und Metaplanwandprotokollierung konnte mithilfe eines digitalen Kernaussagen-Mappings adäquat ersetzt werden. Und durch eine vielfältige Ergebnispräsentation konnten alle Adressat:innen optimal erreicht werden. Kurzum: der von INQA und CrowdInsights durchgeführte Prozess kann modellhaft für zukünftige digitale Beteiligungsprozesse sein.