Liebe Beteiligungsinteressierte!
Auch für den Winter wollen wir gerne Dinge rund um Beteiligung, Partizipation und Co-Creation mit Ihnen teilen, die wir ausprobiert, aufgeschnappt und uns ausgedacht haben. Unsere Themen sind diesmal unter anderem: Wie in Kooperation mit der Stadt Lippstadt und der Hochschule Lippstadt-Hamm eine Innovations- und Arbeitsplattform für den Klimaschutz entsteht. Ein Tipp für ein besonderes Escaperoom-Spiel. Und: Welches Verfahren Sie nutzen können, um Ihre Kommune in Sachen Bürgerbeteiligung zu evaluieren.
Lippstadt kommt beim Klimaschutz in die Umsetzung
Gemeinsam mit der Stadt Lippstadt und der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL) arbeitet CrowdInsights seit Sommer 2022 am Aufbau einer digitalen Plattform, um die Stadtgesellschaft zum Thema Klimaschutz zu vernetzen. Der Arbeitstitel: Stadtosphäre. Auf der Plattform soll es unter anderem die Möglichkeit geben, eigene Ideen zum Klimaschutz einzubringen, aber auch sich in Teams zur Ausarbeitung und Umsetzung von Ideen zusammenzufinden. Dazu werden auf kommunaler Seite Prozesse geschaffen , die den Weg zur Umsetzung ebnen. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMVU) im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative.
Wir setzen mit dem Projekt dort einen Schwerpunkt, wo die meisten Beteiligungsprozesse derzeit enden: Bei der Umsetzung von Ideen und Empfehlungen. Von dem, was wir in Lippstadt ausprobieren und etablieren, werden auch die anderen Nutzer:innen der CrowdInsights-Plattform profitieren können. Wir möchten zeigen, wie Stadtpolitik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Bürger:innen die Empfehlungen und Stellungnahmen aus CrowdInsights-Prozessen gemeinsam in konkretes Handeln übersetzen können, das einen bezifferbaren Beitrag zum Klimaschutz liefert.
Wer sich ein Bild von den Herausforderungen machen möchte, vor denen wir stehen: Das Vorab-Impulspapier des Wuppertal Instituts „Nachdenken über Energiedemokratie“ beschreibt ganz gut die Sachlage. Das Fazit der Autor:innen:
„Kleine Veränderungen beginnen immer auch bei Menschen, Menschen in sozialen Beziehungen und in Kontexten. […] Menschen in einer Gemeinde denken und handeln zusammen, wenn sie eine „kleine Energiewende“ konzipieren und umsetzen wollen. Ihr gemeindlicher Wille ist derzeit jedoch belanglos, vielmehr werden Festlegungen für Windeignungsgebiete ausschließlich über den „Regionalplan“ getroffen. Abgesehen davon, dass Regionalplanung angesichts von Stirnrunzeln und anderen Verhinderungen gerade nicht so richtig stattfindet, scheint auch eine allein regionalplanerische Regelung eines demokratischen, eines energie-demokratischen Prozesses zweifelhaft. Naheliegender als regionalplanerische Alleinherrschaft ist eine Vielfalt demokratischer Räume […].“
Neue Funktionen und Features
Seit unserem letzten Newsletter haben wir neben zahlreichen hybriden Beteiligungsprojekten auch wieder eine Vielzahl neuer Features an den Start gebracht. Hier eine kleine Auswahl:
Noch besser mit der eigenen Crowd kommunizieren:
Wir haben unserer E-Mail-Kommunikation ein umfassendes Upgrade verpasst. Damit informieren wir Teilnehmende darüber, wie ihr persönlicher Beitrag in die Erkenntnisse und die Stellungnahmen zu einem Beteiligungsprojekt eingeflossen ist. Alle E-Mails sind jetzt grafisch noch ansprechender gestaltet.
Leichte Sprache nutzen und Barrieren abbauen:
Die CrowdInsights-Plattform ist ab sofort auch in Leichter Sprache verfügbar. Über die Kopfleiste können Nutzer:innen problemlos zwischen Deutsch und Leichter Sprache hin und herwechseln.
Mit klickbaren Projektbildern zusätzliche Inhalte vermitteln:
Neben der bereits im Frühjahr implementierten Möglichkeit, Videos auf der Seite zu präsentieren, können nun auch Fotos prominent platziert werden, die sich durch Anklicken vergrößern lassen.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie aktuell konfrontiert? Stellen Sie uns gerne einen kurzen Termin ein. Wir überlegen gemeinsam mit Ihnen, wie Sie diese Herausforderungen mit dem Wissen Ihrer Stakeholder meistern können.
Ausprobiert: Escape Room-Theater
Vielleicht etwas für die Weihnachtsfeier in der Kolleg:innenrunde oder Zuhause: Die Theatergruppe machina eX hat ein Stück entwickelt, das wie ein Escape Room funktioniert. Ein Escape Room ist ein Spiel, bei dem eine kleine Gruppe von Menschen quasi in Detektivarbeit gemeinsam eine Reihe von Aufgaben lösen muss. Gespielt wird in thematisch speziell für das jeweilige Spiel ausgestatteten Räumen. machina eX verbindet das Escape-room Prinzip mit künstlerischen Inhalten und Darstellungsformen.
Das Stück mit dem Titel „Life goes on“ hatte Oktober im Berliner Hebbel-am-Ufer Premiere. Bis zum 15. Januar gibt es eine online und gratis abrufbare Version für Zuhause. In “Life Goes On – at Home“ unternehmen die Spieler:innen einen Ausflug in die deutsch-deutsche Vergangenheit. Es geht um Schokoladenkugeln, die Treuhand und Investoren in der Kleinstadt Prückwitz. Die Bastelanleitung für die Spielmaterialien und den Link zur Spiel-Software gibt es unter: https://www.hau4.de/machina-ex-life-goes-on. Wir haben’s ausprobiert: Fünf Sterne!
Disclaimer: Wir bei CrowdInsights machen so etwas natürlich nicht nur aus Spaß und zur Unterhaltung, sondern um etwas darüber zu lernen, wie man Menschen in einem hybriden Prozess und mit Geschichten gut beteiligen kann.
Ausgedacht: Bürgerräte online begleiten
Auf dem vom Berlin Institut für Partizipation ausgerichteten Kongress „D3: #Deutschland. #Digital. #Demokratisch.“ zeigen wir in einer Q&A-Session, wie Online-Beteiligung Bürgerräte sinnvoll begleiten und ergänzen kann. Dabei greifen wir auf Erfahrungen zurück, die wir bei der Begleitung von Bürgerräten in Vorarlberg machen konnten sowie auf die Beobachtungen unseres Geschäftsführers Dr. Ralf Grötker, der in diesem Jahr im bundesweiten Projekt Losland als Bürgerrats-Moderator unterwegs war. Wir zeigen ganz konkret zwei verschiedene Methoden, wie ein Bürgerrat in einem hybriden Verfahrensmodell und mit Hilfe einer digitalen Plattform auch eine breitere Öffentlichkeit mit einbeziehen kann. Eine Anmeldung zum D3-Kongress (22./23. November) ist leider nicht mehr möglich. Gerne stehen wir jedoch für eine persönliche Beratung zum Thema bereit.
Aufgeschnappt: Demokratieinnovationen und Beteiligungs-Fitness
Demokratieinnovation
Demokratieinnovation – das ist ein Ziel, an dem wir auch bei CrowdInsights arbeiten. Deshalb sind wir stets daran interessiert zu schauen, wie’s andere machen. Eine gute Gelegenheit dafür ist der Preis des Europarates für demokratische Innovation. Dieses Jahr geht der Preis an Astrea Justice (Simbabwe) für eine App, die Bürger:innen hilft, ihre (Menschen-)Rechte gegenüber den Behörden wahrzunehmen. Eine gute Erinnerung daran, dass Demokratie nicht nur Meinungsvielfalt und Mitbestimmung umschließt, sondern auch faire und geregelte Prozesse – was in vielen Ländern und Kontexten nicht unbedingt gegeben ist. Was genau besprochen wurde ist hier zu finden.
Beteiligungs-Fitness evaluieren
Das Berlin Institut für Partizipation (bipar) hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Kommunen evaluieren können, wie gut sie in Sachen Bürgerbeteiligung aufgestellt sind. Das Verfahren ist für Kommunen jeder Größe skalierbar und basiert auf 84 wissenschaftlich fundierten Indikatoren. Die Evaluation, so bipar, soll mit einem geringen Aufwand umsetzbar sein und eine ideale Grundlage für ein dauerhaftes Qualitätsmanagement bieten.
Weitere Infos: https://www.bipar.de/evaluation
Aktuelles aus der Forschung
Bei der Bürgerbeteiligung ist das ein wiederkehrendes Thema: Wie bringt man Menschen dazu, sich auf einen Überlegungsprozess einzulassen? Wie bekommt man Sturköpfe dahin, ihre vorgefestigten Meinungen und Denkweisen gegebenenfalls zu ändern (denn genau das heißt „Überlegen“)?
Marco Meyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter einer Forschungsgruppe an der Universität Hamburg, die sich mit “Schuldhaftem Unwissen in Organisationen” befasst, hat mit seinem Kollegen Mark Alfano dazu geforscht, welche Faktoren Menschen dazu bringen, offen für Überlegungen zu sein. Ihr Fazit: Es liegt nicht an der Intelligenz, ob jemand bereit ist, eigene Überzeugungen in Frage zu stellen. Auch die Neigung, sich fake news und “alternative Fakten” zu eigen zu machen, hat nichts mit Intelligenz zu tun. Was stattdessen eine Rolle spielt, ist eine Charaktereigenschaft: intellektuelle Bescheidenheit. Intellektuelle Bescheidenheit heißt, die Grenzen des eigenen Verstehens und die eigene Voreingenommenheit anzuerkennen und mehr Interesse daran zu haben, die Wahrheit herauszufinden, als Recht zu haben.
Nun lassen sich Charaktereigenschaften nicht von heute auf morgen ändern. Dennoch, so Meyer, gibt es eine Chance, Menschen dazu zu bringen, sich auf einen Überlegungsprozess einzulassen: Zuhören und Fragen stellen. Nachbohren, wie jemand zu seinen Überzeugungen gelangt ist und wie er sie begründet. In den USA gibt es eine Bewegung von Atheist:innen, die sich diese Methode zur Bekehrung ihrer christlichen Mitmenschen auf die Fahnen geschrieben hat. Auf streetepistemology.com findet sich eine ganze Werkzeugkiste mit Fragemethoden, die durchaus auch in deren Kontexten anwendbar sind (wie z.B. dieser Tips Sheet).
Für das Design von Beteiligungsprozessen heißt das: Bei kontroversen Themen ist es besser, gezielte Fragen zu stellen, als Thesen in den Raum zu werfen und zu verteidigen. Auf diese Weise ist es leichter, Lösungen zu finden, die auf Akzeptanz aller Beteiligten stoßen.
Eine umfassendere Darstellung der Forschungsarbeiten von Marco Meyer zum Thema „intellektuelle Bescheidenheit“ findet sich in einem Beitrag der englischsprachigen Financial Times.