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Einer der Workshops beim vergangenen digitalen Treffen des Netzwerk Bürgerbeteiligung am 10. September trug den Titel „Jenseits der Methodendiskussion. Welche Einflussfaktoren spielen bei der Entwicklung ganzheitlicher Beteiligungsstrategien eine Rolle?“. Dabei haben wir eine wichtige Lektion zum Thema Strategie mitgenommen.

„Was ist eine Strategie?“ — mit dieser Frage leitete der Host des Workshops, Dmitrij Umansky (navos), die Runde ein. Meist denkt man ja über Strategie in Top-Down Manier nach. Strategie: das ist Chefsache, weil übergeordnete Betrachtung. Nur die Vision oder die Werte sind der Strategie noch übergeordnet. Taktik und Maßnahmen ordnen sich der Strategie unter. Die Fragerichtung: Welche Taktiken, welche Maßnahmen sind zu wählen, um eine gesetzte Strategie zu befolgen?

Jetzt der Alternativvorschlag von Dmitri. Sieht so aus:

Erläuterung: Strategie umfasst die Auswahl eines attraktiven Zieles (um im Bild zu bleiben: die Wahl eines Gipfels oder eines anderen End- oder Umkehrpunktes einer Wanderung) und die Wahl von Wegen, die zum Ziel führen — unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände. Bin ich fit genug, habe ich die richtige Ausrüstung, um auf dem gewünschten Weg das angestrebte Ziel zu erreichen? Ist das Wetter stabil genug? So betrachtet, ist Strategie ein Ensemble, keine übergeordnete Kategorie.

Als Diagramm dargestellt:

Strategie sind hier die Elemente, die sich innerhalb des gestrichelten Kreises befinden. „Strategie“ im üblichen Sinne ist hier nur ein Teil von Strategie. Das Frageschema ist nicht mehr top-down („Welche Taktik zur Strategie, welche Maßnahmen zur Taktik“), sondern kreuz und quer. Vier Prüffragen ergeben sich:

  1. Steht das in den Blick genommene Ziel in Einklang mit übergeordneten Zielen, mit Vision und Werten?
  2. Ist das Ziel attraktiv genug? Ist es als Ziel geeignet?
  3. Reichen die ins Auge gefassten Maßnahmen aus, um das Ziel zu erreichen?
  4. Sind die Maßnahmen realisierbar? (Sind externe und interne Bedingungen gegeben?)

So betrachtet, lautet die Strategiefrage: Welchem von mehreren Ensembles aus Ziel und Maßnahmen ist der Vorzug zu geben? Die vier Prüffragen beschreiben die vier Dimensionen, hinsichtlich derer sich die Ensembles unterscheiden. Wiederum als Diagramm dargestellt:

Eine Strategie auswählen bedeutet, nach diesem Bild: sich entscheiden für eines von mehreren Ensembles. Jedes Ensemble ein Kreis, kleiner oder größer, heller oder dunkler, mit einer spezifischen Platzierung auf den Achsen einer Matrix. Mit der Entscheidung einher geht im Zweifel zugleich die Favorisierung einer Entscheidungsregel. Zum Beispiel: Wählt man eine Strategie, deren Maßnahmen vor allem wirksam sind (auch wenn die Chancen, die Maßnahmen gestemmt zu bekommen, vielleicht nicht so rosig sind)? Oder eine Strategie, die auf realisierbaren Maßnahmen aufbaut — auch wenn die Effekte der Maßnahmen vielleicht nicht so berauschend sind und die Ziele, die sich mit den Maßnahmen erreichen lassen, auch nicht die attraktivsten Ziele von allen sind?

Zurück zum Thema Beteiligung! In Bezug auf Beteiligungsprojekte lässt sich aus diesen Überlegungen zum Thema Strategie ableiten: Für gelungene Beteiligung, ganzheitlich betrachtet, gibt es kein Rezept und keine Anleitung. Denn: Eine Beteiligungsstrategie zu entwickeln bedeutet, abzuwägen und eine Auswahl zu treffen zwischen verschiedenen möglichen Zielen und Maßnahmen, die dorthin führen.

Beteiligungsziele können Stufen auf einer Beteiligungsleiter sein. Ziele können Ziele aus Sicht der Beteiligenden und aus Sicht der Beteiligten sein. Maßnahmen sind Formate oder Methoden der Beteiligung. Aber auch die Öffentlichkeit, die Resultate einer Beteiligung erreichen, kann so betrachtet Maßnahme sein. Denn Beteiligung, die es wert ist, so genannt zu werden, geht in den meisten Fällen damit einher, dass durch die Publizierung der Resultate ein gewisser Druck dahingehend entsteht, dass Resultate auch in Handlungen umgesetzt werden. Ressourcen, finanzielle Ressourcen inklusive, spielen eine wichtige Rolle mit Blick auf die Machbarkeit von Maßnahmen. Und so weiter und so fort.

Sicherlich: damit Beteiligung gelingt, müssen Basisbedingungen erfüllt sein. Darüber hinaus aber ist Beteiligung eine Sache der passenden Strategie — und das heißt, der Abwägung zwischen verschiedenen Wegen und Zielen.