18.11.2021
Kinder und Jugendliche werden bei Beteiligungsprozessen regelmäßig nicht oder nicht altersgerecht berücksichtigt. Hieraus resultiert, dass die Belange der jüngeren Generationen weniger Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben. Trotz des weit verbreiteten Problembewusstseins gibt es vergleichsweise wenig Ansätze, um Kinder und Jugendliche altersgerecht in Beteiligungsprozesse zu involvieren.
Aus diesem Grund hat CrowdInsights im Sommer 2021 gemeinsam mit der Stadt Eltville nach Methoden gesucht, die Kindern und Jugendlichen eine Möglichkeit bieten, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren. Daraus entstanden ist das Pilotprojekt „Kindergartenburg“, welches diese Methoden in der Praxis austesten sollte. Hier konnten Kinder der Kindertagesstätte „Kindergartenburg“ aktiv an der Gestaltung einer Gartenfläche angrenzend an die KiTa mitwirken und ihre Wünsche und Vorstellungen spielend artikulieren.
Vorgehen
Methodenentwicklung
Bei der Entwicklung der Methodik wurden zunächst die Problemfelder, die bei der Kinder- und Jugendpartizipation – im Gegensatz zu Beteiligungsprozessen bei Erwachsenen – eine Rolle spielen, erarbeitet. Als primäres Problem wurde eine Sprachbarriere festgestellt. Für einen Erwachsenen ist es nicht immer klar, was ein Kind kommunizieren möchte. Gerade in komplexen Fragestellungen kann dies zu einem Problem werden, sodass die Kommunikation von Kindern zu Erwachsenen nicht ohne Inhaltsverlust stattfindet.
Als sekundäres kommunikatives Problem wurde die unterschiedlich stark ausgeprägte Wortgewandtheit von Kindern und Jugendlichen identifiziert. Kinder und Jugendliche sind in der Regel weniger eloquent als Erwachsene und fällt es ihnen deutlich schwerer, auf offene Fragestellungen zu antworten. Deshalb wurden extra für diesen Beteiligungsprozess auf Formate umgestellt, die nicht auf schriftlichen Antworten, sondern auf direkter verbaler Kommunikation basieren. Außerdem wurde eine Methode entwickelt, die den gesamten Prozess in ein kindgerechtes Setting einbettet. Innerhalb dieses Settings wurde eine übergeordnete Fragestellung in einfachere Fragen aufgebrochen, damit es den Kindern einfacher fällt, Antworten zu formulieren bzw. überhaupt ins Erzählen zu kommen.
Planung und Absprache mit allen Beteiligten
Ein wichtiger Aspekt bei der Kinder- und Jugendbeteiligung ist die Absprache und Abstimmung mit allen Beteiligten. So sollten mit allen Betreuer:innen und sonstigen Mitwirkenden der methodische Ansatz und der Ablaufplan mehrfach besprochen werde, um das Verständnis zu schärfen und die Beteiligten von der Sinnhaftigkeit des Vorgehens zu überzeugen.
Durchführung „Die Mitmach-Geschichte“
Für den konkreten Prozess wurde ein Abenteuersetting gewählt, das die Kinder auf eine Entdeckungsreise schickt. Als Abenteuer:innen sollten die Kinder Rätsel lösen, auf Traumreisen gehen, ihre Fantasie zu Papier bringen oder mit Lego nachbauen und sich in einem Labyrinth zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden. Die Methodik zielt dabei darauf ab, dass den Kindern ein Aufhänger zum Artikulieren ihrer Meinung geboten wird. Relevant ist dementsprechend nicht das von den Kindern Gemalte selbst, sondern das Gespräch über das Bild oder die Legokonstruktion. Ein weiteres Anliegen war, dass die Kinder nicht nur Input liefern sollten, sondern Freude an der Prozessteilnahme haben.
In der gesamten Gruppe wurden ein Warm Up und der Tagesabschluss zusammen vorgenommen.
Anschließend wurden die Kinder in vier Gruppen aufgeteilt und über den Tag hinweg an vier Stationen geschickt, welche jeweils in das Abenteuersetting eingebunden waren:
Die Trollstation: Die Kinder werden auf ihrer Abenteuerreise von einem Troll aufgehalten und müssen an einem Glücksrad drehen, das bestimmt, welche Fragen sie dem Troll beantworten müssen. Die Fragen sind an dieser Station sehr konkret, weswegen es sich anbietet über diese Methode Detailfragen beantwortet zu bekommen.
Das metaphorische Labyrinth: Auf ihrer Reise sind die Kinder in ein Labyrinth gelaufen und müssen sich nun an den Abzweigungen für einen von zwei möglichen Wegen entscheiden. Dabei ist es wichtig, die Kinder ihre Entscheidung begründen zu lassen. Der Ansatz bietet sich an, um Szenarien abzuwägen und Präferenzen herauszuarbeiten.
Legostation: Diese Station stellt den Kindern die abstrakte Frage, was in ihrem Garten nicht fehlen darf. Sie sollen ihre Gedanken dazu mit Lego nachbauen. Diese Station wurde gewählt, damit die Kinder auch außerhalb der konkreten Fragen Raum haben, um ihre Wünsche zu artikulieren.
Malstation: Die Malstation verfolgt die gleiche Idee wie die Legostation, jedoch werden die Kinder in einer Traumreise auf eine geheime Entdeckungsreise in einen bereits bestehenden perfekten Garten geschickt. Sie sollen dann malen, was sie auf ihrer Entdeckungsreise gesehen haben. Die Perspektive der Frage ist also eine andere. Zudem wollten wir den Kindern noch einen weiteren kreativen Ansatz bietet.
Am Ende des Tages der Projektdurchführung wurde allen Kinder eine „Mitmach-Urkunde“, Saatpakete und Süßigkeiten ausgehändigt. Dabei durfte sich jedes Kind einzeln die Belohnung abholen und hat von der ganzen Gruppe Applaus bekommen. So wurde gewährleistet, dass die Kinder mit einem positiven Gefühl aus der Durchführung gehen und mit der Urkunde einen Gegenstand in die Hand bekommen, der sie langfristig an diesen Tag erinnert.
Verschriftlichung und Clustering
Alle Stationen wurden von den Mitarbeiterinnen des Jugendamtes während der Durchführung mithilfe von Diktiergeräten protokolliert. Die eingesprochenen Protokollen wurden verschriftlicht und als Antworten auf der Partizipations-Plattform mitgestalten.eltville.de dokumentiert .Bei der Verschriftlichung wurde sich eng an der Kommentierung der Jugendpflegemitarbeiterinnen und dem Wortlaut der Kinder orientiert. Aus den Protokollen wurden, wie bei einem Insights-Prozess üblich, Kernaussagen isoliert und anschließend geclustert. Aus den Clustern wurden dann in einem weiteren Schritt Erkenntnisse abgeleitet.
Erkenntnisse
Insgesamt fünf Erkenntnisse konnten aus den Aussagen der Kinder abgleitet werden, die sich in folgende fünf Bereiche unterteilen lassen:
Heterogene Antworten gaben die Kinder in Bezug auf die Nutzung des Gartens. So wollen die Kinder den Garten zum Erholen auf der Wiese nutzen, aber auch zum Klettern, für Gartenarbeit oder Spielen – Hauptsache spannend soll der Garten sein. Darauf aufbauend wünschen sich die Kinder Verstecke, Klettermöglichkeiten, Wiesenfläche, Spielmöglichkeiten und Pflanzenbeete. Große Einigkeit herrscht bei den Kindern in Bezug auf die Bepflanzung. Es soll viele bunte Blumen, Obstbäume zum Naschen und Gemüsebeete geben. Die Kinder wollen mehrheitlich auch bei der Pflege der Pflanzen helfen.
Weiter wünschen sich die Kinder ein Wasserelement – teilweise zum Plantschen; teilweise, um die Pflanzen gießen zu können. Auch wurde vereinzelt vorgetragen, dass neben den Tieren, die in einem Garten üblicherweise aufzufinden sind, weitere Tiere im Garten gehalten werden sollten. Als letztes Erkenntniscluster wurden die tendenziell schwieriger umzusetzenden Anregungen der Kinder zusammengefasst. So wünschen sich die Kinder in ihrem perfekten Garten Feen, Zwerge und Zauberbäume.
Fazit
Die Ergebnisse des Prozesses sind inzwischen auf der von CrowdInsights gehosteten Mitgestalten-Plattform der Stadt Eltville nachzuvollziehen. Die Umsetzung der Wünsche der Kinder wird nun seitens der Kinder- und Jugendbeauftragten geprüft und dann möglichst im kommenden Frühjahr realisiert. Neben den gewonnen Erkenntnissen konnte das Pilotprojekt „Kindergartenburg“ den Kindern auch ein Gefühl der Selbstwirksamkeit gegeben und ihnen gezeigt, dass sie Einfluss haben können.