21.05.2025
Beteiligungsprojekte sind ein zentrales Instrument, um Wissen zu bündeln, Perspektiven zu erweitern und bessere Entscheidungen zu treffen. Während Umfragen, interaktive Karten und Online-Konsultationen bereits etablierte Beteiligungsformate sind, gibt es auch weniger bekannte aber ebenso wirkungsvolle Methoden. Eine davon ist die digitale Textkommentierung. Diese eignet sich vor allem, um eine Fachöffentlichkeit mit ihrem sehr spezifischen Expertenwissen einzubinden.
Für Engagement Global haben wir dieses Format im Rahmen der Erarbeitung des Orientierungsrahmens Globale Entwicklung – Bildung für nachhaltige Entwicklung in der gymnasialen Oberstufe (OR GOS) umgesetzt. Ziel war es, Institutionen, Verbände, Organisationen und Einzelpersonen, unter anderem aus der Fachdidaktik, der Wissenschaft, Landesinstitutionen zur Lehrplanentwicklung und Ausbildung der Lehrkräfte, Lehrende und ihre Verbände, Eltern- und Schüler:innenvertretungen sowie aus der Zivilgesellschaft die Möglichkeit zu geben, die Fachkapitel des OR GOS direkt zu kommentieren und damit aktiv an der inhaltlichen Gestaltung mitzuwirken. Das Feedback floss anschließend in die weitere Bearbeitung des Orientierungsrahmens ein.
Digitale Beteiligung zum Orientierungsrahmen Globale Entwicklung
Der Orientierungsrahmen Globale Entwicklung – Bildung für nachhaltige Entwicklung in der gymnasialen Oberstufe dient dazu, die Verankerung von BNE in der schulischen Bildung voranzubringen und Bildungsverwaltungen, Schulen, Lehrende und alle am schulischen Bildungswesen Beteiligten bei dieser Aufgabe konzeptionell zu unterstützen. Der OR GOS ist ein gemeinsames Projekt der Kultusministerkonferenz (KMK) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Dieses Projekt wird von Engagement Global umgesetzt.
Einen zentralen Teil des OR GOS bilden die Fachkapitel, die jeweils auf ein spezifisches Unterrichtsfach bzw. eine Fächergruppe zugeschnitten sind. Sie decken die Fächer Deutsch, Neue Sprachen, Alte Sprachen, Bildende Kunst, Musik und Theater, Sozialwissenschaften/Politische Bildung, Geographie, Wirtschaft, Geschichte, Religion, Philosophie/Ethik, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Informatik und Sport ab. Um sicherzustellen, dass die Fachkapitel den Bedürfnissen der oben genannten Zielgruppen entsprechen, setzte Engagement Global unter anderem auf eine digitale Kommentierung dieser Kapitel. Dafür entwickelten wir eine digitale Umgebung, die gezielt auf das Format der Textkommentierung zugeschnitten war. Die wichtigsten Funktionen und Ziele dabei waren:
Wortgenaue Kommentierung: Die Fachöffentlichkeit konnte konkrete Formulierungsvorschläge zu den fertigen Textentwürfen machen.
Strukturierte Auswertung: Das Tool für die Textkommentierung zeigt übersichtlich alle Vorschläge zu jedem Textabschnitt an. Im Adminbereich können die Kommentare gewichtet werden und außerdem angenommen oder abgelehnt werden.
Niedrigschwellige Teilnahme: Für die Kommentierung musste kein Programm installiert werden. Die Teilnahme ist im Browser einfach möglich. Eine Registrierung war erforderlich, damit die Beiträge einzelnen Personen und Organisationen zugeordnet werden konnten.
Mobile Teilnahme: Eine Herausforderung in der Entwicklung war die konsequente Verfolgung unseres Mobile-First-Ansatzes. Wer schon einmal versucht hat, bei Google-Docs oder Office 365 auf dem Handy zu kommentieren, kann das nachvollziehen. Uns ist es gelungen, dass die Kommentierung genauso einfach funktioniert, wie auf dem Desktop.
Die digitale Kommentierung der Fachkapitel war für acht Wochen auf der Onlineplattform möglich.
Mehrwert und Erkenntnisse aus der digitalen Textkommentierung
Die Textkommentierung hat sich als effektives Beteiligungsformat erwiesen – sowohl in Bezug auf die Qualität der Rückmeldungen als auch auf den gesamten Erstellungsprozess des OR GOS. Fünf zentrale Erkenntnisse zeigen den Mehrwert dieses Formats:
1. Weniger Aufwand durch digitale Textkommentierung
Verschiedene Formulierungsvorschläge konnten direkt an den jeweiligen Textpassagen geprüft und abgewogen werden – übersichtlich und strukturiert in einem Tool. Im Gegensatz zu klassischen Verfahren der Einholung von Stellungnahmen musste niemand die Kommentare digitalisieren und es mussten keine verschiedenen Entwürfe ausgedruckt nebeneinandergelegt werden. Dies bedeutet eine enorme Zeiteinsparung.
2. Mehr Qualität durch einfache, gezielte Beteiligung
Textkommentierung ermöglicht es, fachspezifisches Wissen genau dort einzubringen, wo es gebraucht wird – nämlich unmittelbar im jeweiligen Text. Dadurch konnten Expert:innen präzise und passgenaue Anmerkungen hinterlassen. Dies führte zu qualitativ hochwertigen Rückmeldungen, die für die inhaltliche Weiterarbeit besonders wertvoll waren und dort gezielt einfließen konnten.
3. Frühzeitige Einbindung verhindert spätere Kritik
Durch die breite Beteiligung konnten potenzielle Einwände schon während des Entstehungsprozesses identifiziert und berücksichtigt werden. So wurden nachträgliche Debatten oder verspätete Anpassungen vermieden.
4. Legimität und Akzeptanz
Der öffentliche Beteiligungsprozess machte sichtbar, dass unterschiedlichste Akteur:innen aus den oben genannten Zielgruppen an diesem mitgewirkt haben. Das stärkte nicht nur die Qualität des Orientierungsrahmens für die gymnasiale Oberstufe, sondern erhöht auch seine Akzeptanz in der Bildungslandschaft.
5. Höhere Beteiligung durch digitale Teilnahme
Die Einbindung über eine digitale Plattform hat viele Expert:innen zur Teilnahme bewegt. Digitale Textkommentierung ist nutzerfreundlich und bietet unterschiedliche und einfache Zugangsmöglichkeiten.
Der Beteiligungsprozess zum OR GOS hat gezeigt, wie digitale Textkommentierung als niedrigschwellige und effiziente Beteiligungsmethode funktionieren kann. Sie ermöglicht eine direkte, präzise und interaktive Mitgestaltung von Fachinhalten – ein großer Vorteil gegenüber klassischen Beteiligungsformaten wie Konsultation oder Umfragen.
„Die Online-Textkommentierung bietet einen großen Mehrwert für vergleichbare Beteiligungsprozesse. Es war uns wichtig, möglichst viele Menschen aus der Fachöffentlichkeit schon bei der Erstellung des OR GOS zu beteiligen. Das Werk ist somit nicht nur ein Produkt von einzelnen Autor:innen und Personenkreisen, sondern es sind viele Stimmen aus der Fachöffentlichkeit in den Bearbeitungsprozess eingeflossen.“
Für künftige Beteiligungsprozesse bietet dieses Format Potenzial – vor allem in formalen Prozessen wie der Länder- und Verbändebeteiligung oder Antragsdiskussionen auf Mitgliederversammlungen und Parteitagen.